Wir sind Kirche Diözesangruppe Eichstätt - Brief an Diözesanräte
Walter Hürter
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An die Mitglieder des Diözesanrats Eichstätt, 23. September 2003
Liebe Diözesanrätinnen und Diözesanräte
nachdem Ihnen mit der Einladung zur Vollversammlung das kirchenrechtliche Gutachten von Ordinariatsrat Dr. H. Hallermann und Einsprüche gegen die Abstimmung über den Antrag von Herrn Thomas Schrollinger zugesandt worden sind, halten wir es für wichtig, Ihnen im Vorfeld der Versammlung einige bedenkenswerte Aspekte aufzuzeigen:
Bei der letzten Vollversammlung hat, nach einem Bericht der Kirchenzeitung vom 23.03.03, unser Bischof Dr. Walter Mixa unsere „Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt verurteilt. Sie habe „vor allem im Bereich des Weiheverständnisses fundamentale Veränderungen unterstützt“; so verlange sie das Frauenpriestertum, die Abschaffung des Zölibats, sei für die Einschränkung des Lehramts und befürworte gleichgeschlechtliche Partnerschaften. „Wenn wir so etwas wollen, dann sind wir nicht mehr katholisch“ habe Mixa „unter anhaltendem Beifall der Diözesanrätinnen und Diözesanräte“ gesagt. Die KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ betrachtet ihre Ziele als Visionen. So hat sie z.B. in keiner Weise in irgendeiner Form die „Priesterinnenweihe“ in 2002 anerkannt, ebensowenig gleichgeschlechtliche Partnerschaften befürwortet.
In dem Ihnen vorliegenden kirchenrechtlichen Gutachten von Ordinariatsrat Dr. Heribert Hallermann vom 22. März 2003, das uns am 25. Juli 2003 vom Bischof vorgelesen und ausgehändigt worden ist, wird festgestellt, dass die Gruppe in wesentlichen Fragen gegen die Norm des c. 212 § 1 CIC („Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewusstsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen.“) verstößt und die entsprechenden Widersprüche zur Lehre der Kirche sogar programmatischen Charakter für die Gruppe haben.
Der § 3 des c. 212 CIC sagt über die Gläubigen: „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“
Zu den von uns vertretenen Reformforderungen erklärte Kardinal Franz König aus Wien schon vor acht Jahren: „Da steckt viel guter Wille dahinter, der zu respektieren ist. Man muss alle anhören können. Die Freiheit des Wortes, auch der Laien in der Kirche, ist von großer Bedeutung. Wenn Laien nicht als Lückenbüßer angesichts des Priestermangels Stimmrecht haben, sondern als Volk Gottes, dann ist das nicht Demokratisierung im politischen Sinne. Es ist Wiederbesinnung auf Urchristliches. Auch Theologie bleibt letztlich immer eine menschliche Erklärungsstruktur für das letzte Geheimnis des Göttlichen.“ (Quelle: DIE ZEIT, 28.07.1995)
Vor genau 50 Jahren, also schon vor dem II. Vat. Konzil, hat Prof. Karl Rahner geschrieben: „dass eine auch berechtigte freimütige Meinungsäußerung über kirchliche Dinge auf Vertreter der kirchlichen Autorität den Eindruck versteckter Rebellion oder eines Ressentiments gegen die kirchliche Obrigkeit macht und bei anderen Menschen in der Kirche, die die alten Formen gewohnt sind, ... einen nicht erfreulichen Klang hat“. Außerdem bemerkt Rahner, ...dass wir uns nicht immer geängstigt fragen müssen, ob die Kirche nicht in ängstlicher Introvertiertheit mehr an sich als an die anderen denkt, dass wir nicht als einzelne Christen mutig Protest, unter Umständen sogar gegen die Amtsträger der Kirche, erheben müssten, wo die Kirche mehr an sich selber denkt und sich anders selbst zu retten sucht als durch die Rettung der anderen.“ (Quelle: Ein Traum von Kirche, Herder-Verlag 1998)
Im gleichen Band noch einige Kernaussagen von Prof. Heinrich Fries von 1989: „...wird deutlich, dass heute an die Stelle des im Konzil empfohlenen Dialogs und der Kommunikation auch zwischen Lehramt und Theologie der Monolog und die Pflicht zum Gehorsam getreten ist, dass als höchste Tugend des Katholiken die strikte Befolgung der lehramtlichen Weisungen angesehen wird, zugleich als Maß der Kirchlichkeit. ...Es ist indes keineswegs so, dass die Autorität als solche heute generell abgelehnt wird. Sie wird akzeptiert und sogar dankbar angenommen, wenn sie argumentativ, aus Gründen und Einsichten des Glaubens überzeugt und sich als kompetent erweist. Wenn und wo aber die Autorität nur auf sich selbst pocht und beruft und weitere Fragen und Diskussionen verbietet, stoßen ihre Weisungen auf Widerspruch, sie werden nicht übernommen zum großen Schaden der Autorität selbst. Dadurch entsteht jene Polarisation in der Kirche, die heute vielfach beklagt wird. Bernhard Häring sprach von einem heute manifest gewordenen psychologischen Schisma; auf der einen Seite der Triumphgesang der Intransigenten (der Unversöhnlichen, zu keinem Kompromiss Bereiten), auf der anderen Seite Zorn, Misstrauen, antirömischer Affekt und als Ergebnis die Distanzierung vieler von der Kirche und der Abschied von ihr. Zu all dem kommt ein Klima der Verketzerung, der Anfeindung und der Denunziation, das die noch vorhandenen Reste an Vertrauen vollends zu zerstören droht. Das Ganze führt zur Selbstzerstörung der Autorität. Die Verantwortlichen in der Kirche selbst zerstören ihre Autorität. Durch ihr Handeln oder Nichthandeln bewirken sie, dass das Vertrauen schwindet und damit die Voraussetzungen, die allein Anerkennung und Gefolgschaft sichern könnten. Daher nützen Aufforderungen zum Gehorsam oder sonstige Versuche zur Disziplin überhaupt nichts. Sie verschärfen nur die Probleme und tragen dazu bei, dass sich immer mehr Menschen von der Kirche in ihrer derzeitigen Verfassung abwenden.“
Die vorgenannten Aussagen renommierter Theologen erscheinen uns wichtig im Hinblick auf die Bemühungen der KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ um glaubwürdige Reformen in der katholischen Kirche und die Bemühungen des Eichstätter Bischofs, durch ausschließliches Pochen auf ein von der Hierarchie verfasstes Kirchenrecht, diese Reformbemühungen zu behindern bzw. zu verhindern. In einem Schreiben vom 7.3.1998 an den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz schrieb selbst Kardinal Joseph Ratzinger im Namen der Glaubenskongregation u.a. „Auch gegen eine eventuelle genau zu umschreibende Beteiligung der Gruppe "Wir sind Kirche" beim Delegiertentag bestehen keine grundsätzlichen Einwände. Allerdings müsste in diesem Fall öffentlich klargemacht werden, dass damit keine offizielle kirchliche Anerkennung der Gruppe verbunden ist.“
Im Bericht über die konstituierende Vollversammlung des Diözesanrates Eichstätt vor genau einem Jahr wählte die Kirchenzeitung den Titel „Offen für Themen der Zeit“. Wir hoffen auf das Selbstbewusstsein der Diözesanratsmitglieder, dass sie sich nach den Diözesen Berlin (hier heißt die Gruppe „Kritische Katholiken“), Dresden-Meißen und Limburg für eine Mitarbeit der „Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt im Diözesanrat, trotz kirchenrechtlicher Bedenken entscheiden werden. Als langjährig und vielfältig engagierte Katholikinnen und Katholiken sind wir u.a. für Reformen bei
wiederverheirateten Geschiedenen
verheirateten Priestern ohne Amt
Gleichberechtigung von Frauen in allen Diensten
Gleichwertigkeit aller Gläubigen
Freistellung des Zölibats
Mitsprache und Mitentscheidung der Ortskirche bei Bischofsernennungen
mehr Menschlichkeit statt pauschaler Verurteilungen z.B. bei Homosexuellen
Diese Forderungen nach Reformen werden auch von zahlreichen, kirchlich anerkannten Verbänden erhoben, die im Diözesanrat Eichstätt vertreten sind.
Wir danken dem Diözesanrat für die Einladung zur Vollversammlung und hoffen, daß sich einige VertreterInnen von uns persönlich mit wichtigen Informationen über die Gruppe vorstellen können.
Mit herzlichen Grüßen
„Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt
i. A. Walter Hürter
Zuletzt geändert am 07.12.2006