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Kirchenvolks-Synode 2001 in Rom

SYNOD OF THE PEOPLE OF GOD 2001
SINODO DEL POPOLO DI DIO 2001

Bericht von der weltweiten Schattensynode in Rom



Wenn der Krieg in Afghanistan zwei Stunden später begonnen worden wäre, wären die Bilder sicher in den Abendnachrichten gesendet worden: Mit Schwärmen von gelben und lila Luftballons, gelben Halstüchern und Taizé-Liedern bringt die Delegation der Kirchenvolks-Synode die Abschluss-Botschaft des weltweiten Reform-Treffens zu Kardinal Jan Pieter Schotte, dem zuständigen Sekretär der Bischofssynode. Doch zunächst werden die friedlichen „Pilger“ von einem großen Polizeiaufgebot aufgehalten, und es bedarf langwieriger Verhandlungen mit der römischen Polizei, bis der Brief in den Briefkasten des zum Vatikanstaat gehörenden Kardinalspalastes eingeworfen werden darf. Ob der Kardinal die Botschaft des Kirchenvolkes an die Bischöfe weitergeben wird? „Sicherheitshalber“ wurde die Botschaft der Kirchenvolks-Synode deshalb anschließend mit Helium gefüllten Luftballons auch gen Himmel geschickt.

Das Treffen der Kirchenvolks-Synode in der Aula Magna der Facolta Valdese, der protestantischen Theologischen Fakultät der Waldenser, führte an die 100 Frauen und Männer, Priester, Ordensleute und Laien, aus Asien, Afrika, Nordamerika, Latein-Amerika und Europa nach Rom, wo sie ihre Anforderungen an das Bischofsamt im 21.Jahrhundert in aller Offenheit formulierten. Auch die Bischöfe waren ganz offiziell eingeladen, doch sie haben diese Einladung ignoriert.

Stimmen des Kirchenvolk aus aller Welt

Ein erstaunliches Ergebnis der Schatten-Synode: Die „Stimmen aus dem Kirchenvolk“ zeigen deutlich, dass trotz historisch, kulturell und sozial sehr unterschiedlicher Entwicklungen der kirchliche Reformdruck auf der ganzen Welt ähnlich groß ist. Für Österreich stellte Martha Heizer, eine der „Mütter“ des Kirchenvolksbegehrens, das von der dortigen Plattform Wir sind Kirche entwickelte neue Modell für die Ernennung von Bischöfen vor. Gleichzeitig forderte sie die Bischöfe auf, nicht länger Generalvikare des Papstes sondern Apostel zu sein, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit wieder erlangen wollten. Und sie erinnerte an das Paulus-Wort: "Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu Eurer Freude." (2 Kor 1, 24).

Die feministische afrikanische Theologin Philomena Mwaura von der Universität von Nairobi (Kenia) forderte, dass die Kirche, angesichts der Veränderungen in der modernen demokratischen säkularen Gesellschaft, die Interessen vor allem der jungen Menschen und Frauen nicht weiter ignoriert.

In kleinen länder- und kulturübergreifenden Workshops entwickelten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Vorstellungen für die Zukunft der Ortskirche, der Weltkirche und für die Beziehung der Kirche mit der Welt. Aus den Ergebnissen der Workshops wurde das Abschlussdokument der Kirchenvolks-Synode erarbeitet: die Stimme des Kirchenvolkes im Gegensatz zu der von der römischen Kurie dominierten und vermutlich wieder folgenlosen Welt-Bischofssynode. Angesichts der neuen Weltsituation nach dem 11. September 2001 ein nicht leichtes Unterfangen. Doch gerade der afghanische Krieg wurde zum Anlass genommen, um eindeutige Stellungnahmen der Kirchenvertreter einzufordern.

24-Punkte-Katalog für die Kirchenreform

Die Grundzüge des 24-Punkte-Katalogs der Abschlusserklärung der Kirchenvolks-Synode umfassen eine weitreichende Reform der römisch-katholischen Kirche. Neben der Absage an Krieg und Gewalt und dem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit auf der ganzen Welt enthält das dreiseitige Dokument die Forderung nach einer demokratischen Entscheidungsfindung in der katholischen Kirche. Bischöfe sollen gewählt und ihre Amtszeit beschränkt werden. Beide Geschlechter sollen gleichberechtigt behandelt werden. Die Normen bezüglich Sexualität sollen überdacht und das persönliche Gewissen verstärkt respektiert werden. Insbesondere enthält die Stellungnahme die Forderung nach dem Ende jeder Diskriminierung in Bezug auf das Priester-, Bischofs- und Papstamt, die prinzipiell allen getauften Katholikinnen und Katholiken offen stehen sollten.

„Frauen haben soviel durch die Amtskirche zu leiden,” sagte Maria Consuelo Mejia aus Mexiko, Direktorin der Organisation "Katholiken für das Recht zur Entscheidung", die sich für die Möglichkeit der Verhütung und Familienplanung einsetzt. „Diese Kirchenvolks-Synode fordert, dass die Hierarchie für die Rechte der Frauen eintritt; aber oft scheint es so, als ob die Kirche die Rechte der Frauen mit Füßen tritt." Dies hat für die Kirche einen doppelt negativen Effekt: es schädigt „einerseits die Frauen, andererseits die Kirche selbst“. Denn Frauen sind mehr als Mütter: nämlich denkende, planende, führende Seelsorgerinnen. Für die engagierte Mexikanerin beinhaltet dies auch die Weihe von Priesterinnen. Maria Mejia hofft es noch zu erleben, dass „eines Tages Frauen als Bischöfinnen ihren Platz in Synoden im Vatikan einnehmen.“

Die Stellungnahme der Schattensynode enthält auch die Forderung nach dem freien Zugang zu Verhütungsmitteln. „Die Position der Kirche im Bezug auf Verhütungsmittel ist eine Sünde,“ empört sich Maria Mejia. „Tausende von Frauen sterben deswegen jedes Jahr in den Entwicklungsländern. Der Vatikan macht sich mitschuldig, weil seine Lobbyisten bei der UNO und bei Regierungen – vor allem in der Dritten Welt – immer wieder gegen die freie Gewissensentscheidung zu Felde ziehen.“ Dies verhindert, dass sich Menschen gegen ungeplante Schwangerschaften und gegen HIV/Aids schützen können.

Weltweite Unterstützung

Die vom Europäischen Netzwerk Kirche im Aufbruch und der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche (IMWAC) initiierte ’Schattensynode’ wurde von mehr als 300 reformorientierten Gruppen und Netzwerken aus allen Kontinenten getragen. Aber auch namhafte TheologInnen und KirchenkritikerInnen aus der ganzen Welt, wie zum Beispiel die Harvard-Professorin Elisabeth Schüssler-Fiorenza, der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff (dem in diesem Jahr der alternative Nobelpreis verliehen worden ist) oder der Schweizer Missionswissenschaftler und Dominikaner Walbert Bühlmann haben Solidaritätsbriefe geschickt. Bühlmann wies darauf hin, dass der jetzige Papst seit seiner ersten Ansprache an die Kardinäle am Schluss des Konklave 1978 ständig von „zu stärkenden Strukturen der Kollegialität“ spricht. Damit wecke Johannes Paul II. „23 Jahre lang Hoffnungen, auf die immer neue Enttäuschung folgten, wegen des nicht ab-, sondern eher zunehmenden Zentralismus.“

Hans Küng, der Begründer des Projekts Weltethos, schrieb, dass die katholische Kirche ihre Reformgruppen und Netzwerke braucht, wie die Zivilgesellschaft ihre Nichtregierungsorganisationen. Worte der Ermutigung schickten auch der australische Theologe Paul Collins, der seit Jahren auf der Liste der römischen Inquisitionsbehörde steht, die deutsche Theologin Ida Raming und die amerikanische Theologin Mary E. Hunt. Persönlich anwesend bei der Kirchenvolks-Synode war der Weiße Vater P. Tissa Balasuriya aus Sri Lanka – ein bedeutende und mittlerweile auch wieder vom Vatikan anerkannte Stimme der asiatischen Theologie.

Die Generalsekretärin der Kirchenvolks-Synode, Valerie Stroud aus Großbritannien, ist mit dem Erfolg der Schattensynode sehr zufrieden: „Dieses Treffen in Rom ist ein neuer Meilenstein in der weltweiten Vernetzung der Reformkräfte“. Sehr enttäuscht zeigte sie sich jedoch gegenüber der Führung der Bischofssynode, welche die Kirchenvolks-Synode einfach zu ignorieren versucht. „Wir erwarten, dass die Bischöfe endlich in einen ernsthaften Dialog mit den Reformkräften einsteigen“, sagte die engagierte Britin.

ausführliche Dokumentation:
http://www.we-are-church.org/projects/2001/

Zuletzt geändert am 12­.02.2014