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Veröffentlicht am 01­.12.2018

Dezember 2018 - Kirche In

Jetzt müssen Taten folgen

> als PDF mit Fotos (2 Seiten)     (etwas gekürzt, ohne die in der Langfassung blau gekennzeichneten Textteile)

Die Jugend-BischofssSynode in Rom war eine große Chance für die Bischöfe, wieder mehr Kontakt zur jüngeren Generation zu bekommen. In Fortsetzung seines Artikels „Lernwerkstatt Bischofssynode“ im November-Heft von KIRCHE IN zieht Christian Weisner von der deutschen KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche nach Abschluss der Synode eine kritische Bilanz.

Seit Beginn seiner Amtszeit betont Papst Franziskus, dass Kirchenvolk, Bischöfe und Papst sich gemeinsam auf den Weg machen müssten. Eine Synode ist zwar kein entscheidungsbefugtes Kirchenparlament, aber wohl das am ehesten geeignete vorhandene kirchliche Instrumentarium, Neues auf den Weg zu bringen. „Wir können es uns nicht leisten, ohne etwas Neues in der Hand nach Hause zu fahren“, so Papst Franziskus am Ende der dreieinhalbwöchigen Jugend-BischofssSynode „Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung“.

Trotz der fehlenden Stimmmöglichkeiten haben die 34 „Auditores“ unter 30 Jahren diese Synode inhaltlich und atmosphärisch stark prägen können, mehr als wohl jede andere Synode bisherzuvor. Der Brief der jungen Mitglieder am Ende der Synode an Papst Franziskus zeigt deren große Bereitschaft, den notwendigen grundlegenden Reformkurs mit aller Kraft zu unterstützen. Damit es aber wirklich eine Synode der Jugend und nicht nur eine Synode über die Jugend gewesen wäre, hätten genauso viele junge Christen wie Bischöfe in der Aula beraten müssen.

Aber „die Jugend“ war erfinderisch. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), den deren Vorsitzender Thomas Andonie in der Synode vertrat, lud Bischöfe in seine Wohngemeinschaft zur „Kirche am Küchentisch“. Die Katholische Jugend Österreich begleitete Kardinal Schönborn und Weihbischof Turnovszky und beriet im Hintergrund.

Wenn in der Synodenaula, die eher einem vollbesetzten Hörsaal glich, die Generation U-30 mit der Generation Ü-70 debattierte und 4-Minuten-Statements in ungeordneter Reihenfolge austauschte, so stellte das noch keinen wirklichen Dialog dar. Der war dann schon eher in den 14 Sprachgruppen möglich. Zur deutschen Sprachgruppe gehörten neben Österreich, der Schweiz und Deutschland auch die Tschechoslowakei. Aber nur eine Frau war dabei, die Vertreterin des Lutherischen Weltbundes *).

Revolution des Zuhörens

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, versteht das Abschlussdokument als klaren „Appell gegen Machtstrukturen und Klerikalismus, gegen Missbrauch und kirchliche Arroganz.“ Pater Clemens Blattert SJ, der als Experte an der Synode mitwirkte, wertete diese Synode als eine Revolution des Zuhörens, die den Stil von Leitung in Kirche verändern könne. Für den Vorsitzenden der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, den Passauer Bischof Dr. Stefan Oster SDB, hatte das Zuhören nicht nur eine pädagogische, sondern eine theologische Bedeutung. Das schließe auch das Sprechen über die sogenannten Reizthemen ausdrücklich ein und nicht aus.

Die Tatsache, dass alle 167 Abschnitte des Abschlussdokuments die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit erhielten, kann als Erfolg des synodalen Prozesses gesehen werden, der bereits mit der weltweiten Befragung und der Vorsynode im März 2018 begonnen hatte. Die großen kulturellen Diversitäten innerhalb der römisch-katholischen Weltkirche zeigten sich aber schon in der Vorsicht bei der Verwendung des Begriffs LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender). Im Arbeitspapier und damit erstmals überhaupt in einem vatikanischen Dokument tauchte er auf, aber nicht mehr im Abschlusspapier. Bei Fragen der Sexualität und Sexualmoral wurde offener Streit durch die Ankündigung weiterer wissenschaftlicher und theologischer Texte vermieden. Bei keinem anderen Punkt gab es während der Schlussabstimmungen mehr Nein-Stimmen aus dem Kreis der Bischöfe als beim Abschnitt 150 zur Sexualität.

Natürlich ist es enttäuschend, dass das Schlussdokument kein klares Schuldeingeständnis für die jahrzehntelange Vertuschung von Missbrauch durch katholische Geistliche enthält. Bemerkenswert deutlich werden zwar die weltweiten Missbrauchsskandale der Kirche angesprochen und strikte Prävention gefordert, aber die zugrundeliegenden Fragen nach Zölibat, Klerikalismus und Strukturen klingen kaum mit. Zum Thema Frauen in der Kirche heißt es, Frauen sollten auch auf der Leitungsebene mehr mitwirken. Die „Abwesenheit der weiblichen Stimme lässt die Debatte und den Weg der Kirche verarmen“. Aber was das in einer Männerkirche konkret heißt, muss sich zeigen, in afrikanischen Ländern wie in Osteuropa, wie in Deutschland. Nur mit solchen wohlmeinenden Worten wird der Auszug der Frauen aus der katholischen Kirche nicht zu stoppen sein.

Enttäuschend auch die banale Aussage zur Homosexualität „Gott liebt alle Menschen und so macht es die Kirche.“ Dem Vatikan und vielen Bischöfen scheint es dagegen noch immer noch sehr schwer zu fallen, Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind und wie sie leben. „Beim Thema Sexualmoral hätten wir uns mehr erhofft“, sagt Thomas Andonie vom BDKJ ganz deutlich, „da sind wir enttäuscht.“ Für ihn und sicher für andere auch war die Synode ein Wechselbad der Gefühle.

Denn mitten in die Synode hinein platzte die Nachricht, dass die Bildungskongregation des Vatikans dem Rektor der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt, Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig SJ, wegen seiner positiven Aussagen zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare das „Nihil obstat“ für seine dritte Amtszeit verweigert. Das öffentliche Echo war verheerend, zahlreiche Proteste und Solidaritätsbekundungen folgten. Erst Mitte November und erst, nachdem Wucherpfennig eine Erklärung abgegeben hatte, als Ordensmann und Priester dem authentischen Lehramt der Kirche verpflichtet zu sein, konnte er sein Amt antreten. Auch der Limburger Ortsbischof Georg Bätzing stellte sich hinter Wucherpfennig: Die Freiheit der theologischen Wissenschaft erfordere es doch auch, die Wirklichkeit innerhalb der Kirche und Gesellschaft und vor allem die Forschungsergebnisse anderer Disziplinen wahrzunehmen.

Taten statt schöne Worte

Frère Alois, Prior der Ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, sieht die Kirche in einem Klärungs- und Lernprozess: Was bedeutet „Kollegialität der Bischöfe“, und was bedeutet „Synodalität“? Bei einer Synode könnte man über eine breitere Einbeziehung von Laien nachdenken, damit zum Ausdruck kommt, dass das Volk Gottes gemeinsam unterwegs ist.

Den „Auditores“ der Jugendsynode ist es gelungen, aufzuzeigen, dass Kirche in ihrer jetzigen Verfassung mit klerikaler Autorität und ihrer Unfähigkeit, Dialoge zu führen, vielfach kaum mehr ernst genommen wird. Auch die katholische Sexualmoral ist für viele Jugendliche ein Grund für die Entfernung von der Kirche. Am Ende werden junge Menschen die Kirche nicht an wohlgesetzten Worten, sondern an konkreten Antworten auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit beurteilen. Das betrifft gerade auch die existenziellen Fragen wie Migration, Digitalisierung, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Noch während die Synode in Rom tagte, bei der neben den Bischöfen nur einzelne Ordensmänner mitstimmen durften, haben in Innsbruck die deutschsprachigen Generaloberinnen der weltweiten Ordensfrauen-Vereinigung UISG nicht nur das Stimmrecht bei Bischofssynoden, sondern die Zulassung zu allen kirchlichen Ämtern und Diensten für Frauen gefordert. Die nächste römische Synode im Herbst 2019 gilt der Seelsorge am Amazonas, die sich angesichts des Priestermangels wohl auch der Zölibatsfrage wird stellen müssen. Und die Päpstliche Lateinamerika-Kommission hatte schon vor der Jugendsynode angeregt, eine Bischofssynode der Weltkirche über Frauen im Leben und der Mission der Kirche“ einzuberufen.

Vor dem Schlusssegen am 28. Oktober wurde im Petersdom ein Brief der Synodenväter an die Jugendlichen verlesen: „Wir wollen Mitarbeiter Eeurer Freude sein, damit Eeure Erwartungen sich in Ideale verwandeln.... Die Kirche und die Welt brauchen dringend Euren Enthusiasmus.“ Klingt gut, aber wollen das auch die Bischöfe in aller Welt, die nicht an der Synode in Rom teilgenommen haben? Die Synode hat ein neues Fundament gelegt, aber jetzt müssen auch Taten folgen.

* * *

*) Die deutsche Sprachgruppe bei der Bischofssynode Jugend 2018: Weihbischof de Raemy, Bischof Oster SDB, Bischof Holub, Kardinal Marx, Bischof Genn, P. Blattert SJ, Kardinal Koch, Kardinal Schönborn, Julia Braband, Weihbischof Wübbe, Thomas Andonie, Weihbischof Turnovszky

 

Zuletzt geändert am 26­.11.2018