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Veröffentlicht am 25­.03.2015

25.3.2015 - KNA

"Wir sind Kirche" streitet seit 20 Jahren für Reformen

"Froh- statt Drohbotschaft"

Von Volker Hasenauer (KNA)

Freiburg (KNA) Und sie bewegt sich doch - davon ist Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche", überzeugt. "Gerade jetzt, wo Papst Franziskus ganz neue Wege eröffnet. Deshalb geben wir nicht auf, für eine offene und geschwisterliche katholische Kirche zu kämpfen." Seit 20 Jahren tritt "Wir sind Kirche" - mit Weisner als Sprecher - für Reformen ein: für eine Kirche, in der Frauen Priesterinnen werden dürfen, die Katholiken selbst ihre Bischöfe wählen und offen und positiv über Sexualität geredet wird. Der offizielle "Dialogprozess" der Bischofskonferenz, der auch diese Forderungen aufgreifen will, wird von "Wir sind Kirche" als zu langsam und wenig zielführend abgelehnt.

Am Wochenende kommen nun rund 100 Unterstützer der Gruppe zu ihrer Jahresversammlung nach Freiburg. Hier wollen sie beispielsweise die vom Papst in Rom geplante Familiensynode in den Blick nehmen und diskutieren, ob und wie sie ihre Stimme in die Bischofsversammlung einbringen können. Sie hoffen auf einen Wandel im Familienbild und auf mehr Toleranz für wiederverheiratete Geschiedene, die bislang von der Kommunion ausgeschlossen sind.

Den Bischöfen wirft "Wir sind Kirche" vor, zu wenig auf die Stimmung an der Basis zu hören. Trotz Fragebogenaktion, bei der zuletzt alle Katholiken zu Stellungnahmen über die von der Synode angepackten Themen aufgerufen waren.

So wird einmal mehr deutlich, dass das Verhältnis zur Kirchenleitung gespannt bleibt. Offizielle Kontakte gibt es kaum, immerhin ist über die Jahre eine Art informeller Dialog gewachsen. Man sieht sich bei Katholikentagen oder Diskussionsveranstaltungen. An die Versammlung wird zwar nicht der Freiburger Erzbischof, aber immerhin sein Generalvikar ein Grußwort richten. "Das ist schon eine Art Anerkennung", findet Weisner. Und: Viele Sympathisanten von "Wir sind Kirche" engagieren sich mittlerweile in Kirchengemeinden, Verbänden oder auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dem offiziellen Vertretungsgremium der Basis.

Der Zündfunke für die Entstehung der "Wir sind Kirche"-Gruppe kam 1995 aus Wien, als der Skandal um Kardinal Hans Hermann Groer eskalierte, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Groer schwieg, trat aber später ab. 500.000 Österreicher forderten in einem "Kirchenvolksbegehren" eine weniger hierarchische Kirche mit Frauen als Priesterinnen, die Abschaffung des Zölibats und eine neue Sexualmoral. Zusammengefasst im Schlagwort: Kirche müsse wieder "Frohbotschaft statt Drohbotschaft" verkünden.

Die Resonanz des Fünf-Punkte-Programms war auch in Deutschland gewaltig: Hier unterschrieben mehr als 1,5 Millionen Katholiken die Reformagenda. Pfarrer legten Listen aus, Engagierte sammelten Unterschriften in Fußgängerzonen. Seitdem liegen die Themenfelder auf dem Tisch. Weisner Mittwoch, 25. März 2015 Seite 48 spricht von einem damals angestoßenen Bewusstseinswandel. Auf konkrete Änderungen im Kirchenrecht oder in der offiziellen Lehre warten die Kritiker indes bis heute.

Unklar ist, für wie viele Katholiken "Wir sind Kirche" eigentlich spricht. Eine offizielle Mitgliedschaft gibt es nicht. Die Sprecher der Organisation verweisen auf bundesweit mehrere Zehntausend Unterstützern. Manche Beobachter gehen von weitaus niedrigeren Zahlen aus und sprechen von einer mangelnden Legitimierung der Sprecher.

Nicht nur bei der Jahresversammlung am Freitag richten sich nun die Blicke der Kirchenkritiker vor allem nach Rom. Während in den vergangen Pontifikaten "Wir sind Kirche" regelmäßig auf Konfrontationskurs zu Papst und Vatikan ging, sind sich die führenden Köpfe der Gruppe nun einig, dass Papst Franziskus in den zwei Jahren seines Pontifikats entscheidende Anstöße für ein neues Kirchenbild gegeben habe: Er öffne bislang ungeahnte Freiräume für Debatten und theologischen Austausch, er stelle sich der Wirklichkeit statt an verstaubten Idealen festzuhalten und ermutige die Kirchen vor Ort, mehr als bislang selbst zu gestalten und zu entscheiden.

"Jetzt muss dieser neue Geist nur noch in die 27 deutschen Diözesen hineinwehen", fordert Weisner. "Aber uns fehlt in Deutschland leider noch ein richtiger Franziskus-Bischof." Auch dies dürfte die Bischofskonferenz mit ihrem neuen Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx, der in Rom ein enger Berater des Papstes ist, naturgemäß anders sehen.

Zuletzt geändert am 25­.03.2015