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Veröffentlicht am 02­.12.2011

2.12.2011 - Publik-Forum

Zurück zum Kern

Katholische Reformgruppen und Theologen propagieren Eucharistiefeiern ohne Priester. Sie verweisen auf das Beispiel der ersten ChristenZurück zum Kern

Eskaliert die innerkatholische Auseinandersetzung? Reformgruppen in Österreich jedenfalls haben die Geduld mit ihren Bischöfen und dem Papst verloren. Sie wollen nicht mehr hinnehmen, dass die katholischen Hierarchen weiterhin am Bild des ehelosen Priesters festhalten und so den Priestermangel forcieren. Sie finden es grotesk, dass die Gemeinden in der Folge zu großen pastoralen Räumen oder Gemeindeverbünden zusammengeschlossen werden, sodass die Eucharistiefeier nicht mehr überall und nicht mehr an jedem Wochenende gefeiert werden kann. Das grundlegende Recht der Gemeinden auf die Eucharistie, die Feier der Danksagung, werde ihnen von den Oberhirten verweigert, so der Vorwurf.

Deshalb fordern die Reforminitiativen - unterstützt von deutschen Gruppen - alle Katholikinnen und Katholiken auf, nun auch ohne priesterliche Leitung die Eucharistie zu feiern (siehe »Die Rechte der Gemeinden«). Für die österreichischen Bischöfe stellt dieser Aufruf einen »offenen Bruch mit einer zentralen Wahrheit unseres katholischen Glaubens dar«. Es gehe hier um »fundamentale Fragen der katholischen Identität«.

Die Situation ist teilweise skurril: Die Eucharistie ist - laut katholischer Lehre - »Höhepunkt und Quell« kirchlichen Lebens. Offiziell ist sie nur unter Leitung eines geweihten Priesters möglich. Weil die Bischöfe aber an einem geschichtlich gewordenen, heute kaum mehr vermittelbaren Priesterbild festhalten, müssen sie das Angebot an Eucharistiefeiern wegen des Priestermangels notgedrungen verknappen. Das löst einen Aufschrei der Empörung bei denen aus, die in der Eucharistiefeier tatsächlich einen zentralen Kristallisationspunkt ihres christlichen Lebens sehen. Für die große Mehrheit der Katholiken aber hat der eucharistische Gottesdienst diese Bedeutung nicht: Sie gehen überhaupt nicht zum Gottesdienst, höchstens mal an Weihnachten oder bei der Erstkommunion ihrer Kinder. Theologie und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.

Vielleicht gehen die Menschen ja auch deshalb nicht mehr zur Eucharistiefeier, weil der Kern dessen, worum es bei der Eucharistie eigentlich geht, gar nicht mehr recht erkennbar ist. Die Exegeten sind sich einig, dass die Feier von Gemeinschaftsmählern ein Erkennungs- und Markenzeichen Jesu von Nazareths gewesen war. Das gemeinsame Essen aller über alle gesellschaftlichen Grenzen und sozialen Schranken hinweg war für ihn ein sinnenhaftes, konkretes Zeichen der Gegenwart und Güte Gottes. Dass die ersten Christen diese »radikal geschwisterlichen« Gemeinschaftsmähler fortsetzten, sei damals ein Grund ihres großen Erfolges gewesen, urteilt der Neutestamentler Peter Trummer.

Diese Feiern waren am Anfang der Kirche keine Gedächtnisfeiern des Todes und der Auferstehung Jesu. Der Religionspädagoge Hubertus Halbfas verweist in seinem Buch »Der Glaube« darauf, dass frühe Quellen, wie etwa das Q-Evangelium oder das Thomasevangelium, von einer Gedächtnisfeier, wie sie sich dann später in der Tradition des Paulus herausbildete, nichts gewusst haben. Auch die Zwölfapostellehre (Didache), die älteste Kirchenordnung, beschreibe nur ein gemeinsames und rituelles Mahl ohne jeden Rückbezug auf »Jesu letztes Abendmahl und ohne Bezug zu seinem Tod«. Halbfas: »Beschrieben wird ein richtiges Mahl, das aus Brot und Wein besteht und durch den Dank, der über Brot und Wein gesprochen wird, zur Danksagung wird.«

Ja, selbst der Autor des Johannesevangeliums ersetzt den klassischen - für die spätere Tradition so wichtigen - Einsetzungsbericht, nach dem Jesus im Kreise der Apostel Brot und Wein als Zeichen seiner Hingabe dargebracht haben soll, durch die Fußwaschung - also durch ein Bild, das die tätige Menschenliebe als Aufgabe der Christen in den Vordergrund rückt.

Für Halbfas legt sich die Vermutung nahe, dass damals die von Paulus bezeugte Abendmahlstradition durchaus nicht allen Christen bekannt war, »jedenfalls nicht als eine feierliche und verbindlich von Jesus eingesetzte Institution, oder - falls bekannt - dass nicht alle dieser Mahldeutung folgen wollten«. Erst im Laufe der Zeit sei eine Ritualisierung der Mähler erfolgt mit Bezug zu einem »letzten Abendmahl« Jesu. Das aber hat es nach Einschätzung der meisten Exegeten so, wie es die biblischen Autoren schildern, historisch wohl nicht gegeben. Die Schilderung entspringt einer bestimmten Theologie: dass Jesus als unschuldiges Lamm hingeschlachtet wurde und sich somit geopfert habe.

n der katholischen Eucharistiefeier steht der Gedanke der unblutigen Vergegenwärtigung des Opfers Jesu im Vordergrund. Dafür braucht es nach katholischer Lehre den (Kult-)Priester, der in Stellvertretung Jesu handelt. Doch in den frühen Gemeinden in Rom, Korinth und an anderen Orten gab es noch keine Priester im späteren Sinne, und doch haben die Christen die Eucharistie gefeiert. »Wie denn?«, fragt der katholische Dogmatiker Hermann Häring. Seine schlichte Antwort: »Die Gemeinde kam eben zusammen und feierte.« Die Frage einer Vorsteherin oder eines Vorstehers scheint von daher sekundär zu sein, urteilt Häring.

Schaue man auf die Praxis der ersten Christen, »dann kann Eucharistie überall dort geschehen, wo Christinnen und Christen zusammenkommen: so, wie das zerstreute Korn zu einem Brot wird«. Schließlich feierten Christen, so Häring weiter, »kein kompliziertes Opferritual, sondern Gottes Lebensgaben und unsere Lebenshingabe«. Zumal die Autoren des Neuen Testaments Jesus ausdrücklich die Worte sprechen lassen: »Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, da bin ich mitten unter ihnen.«

Für viele Theologen ist daher heute klar, dass die christliche Gemeinde Ursprungsort der Eucharistiefeier ist und nicht »ein ordiniertes Ämtergremium«. Der emeritierte österreichische Liturgiewissenschaftler Franz Nikolasch verweist darauf, dass die Amtsträger der ersten neutestamentlichen Gemeinden nicht im Sinne eines Kultpriesters verstanden wurden, der zwischen Gott und den Menschen vermittelt, sondern als Älteste, Diener oder Aufseher. Einzig Jesus selbst wurde als Mittler zwischen Gott und Mensch, und in diesem Sinne als Hohepriester, verstanden.

Auch Nikolasch betont, dass die Gemeinde das eigentliche Subjekt in der Eucharistiefeier ist. Sie feiere unter der Leitung eines Priesters, dieser handle im Namen der Gemeinde. Der Liturgiewissenschaftler an die Adresse der Bischöfe: »Von einer Kirchenleitung, für die nicht Machtdenken im Mittelpunkt steht, sondern das Heil der Gemeinden, ist zu erwarten, dass sie Gemeinden, denen ein geweihter Vorsteher verwehrt ist, eine Eucharistiefeier ermöglicht, die zwar nicht die nach offiziellem katholischem Verständnis ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit beinhaltet, aber dennoch Eucharistiefeier ist.«

Wenn die katholischen Bischöfe für verwaiste Altäre sorgten, dann, so pflichtet Hermann Häring bei, »fallen die Gemeinden eben auf die Kernbedeutung der Eucharistie zurück: auf die Erinnerung an Tod und Auferstehung Jesu, auf die Anrufung des Geistes Gottes und auf die Zeichen der Gemeinschaft mit ihm«. Der Neutestamentler Peter Trummer empfiehlt christlichen Gemeinschaften und »Hauskirchen« daher, »alternative sakramentale Mahlfeiern einzuüben«. Werde der biblische Einsetzungsbericht aus der Situation der Feiernden heraus als unverzichtbar empfunden, dann sollte er, so Trummer diplomatisch, als Lesung ausgewiesen sein, »um unnötige kirchliche Grenzverletzungen zu vermeiden«. Hermann Häring wiederum schlägt vor, dass priesterlose Gemeinden und Gemeinden, denen all diese biblischen Zusammenhänge aufgegangen seien, miteinander Kontakt suchen und sich über die Gestaltung ihrer Eucharistiefeiern austauschen sollten.

Die schwierige kirchliche Situation birgt möglicherweise die Chance, unter dem Motto »Besinnung auf den Ursprung« neue Zugänge zur Eucharistiefeier zu finden. Und damit vielleicht auch neue Impulse für ein intensiveres, gemeinschaftliches christliches Glaubensleben zu setzen. Das mag für nicht wenige Katholikinnen und Katholiken zunächst befremdlich und ungewohnt sein. Doch in einer Zeit, in der der christliche Glaube zu verdunsten droht, sind vitalisierende Anstöße lebensnotwendig.

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Zuletzt geändert am 07­.12.2011