14.9.2010 - Allgemeine Zeitung (Mainz)
Schiffstour gegen den Strom
WIR SIND KIRCHE Katholische Reformbewegung feiert 15-jähriges Bestehen
Schon aus großer Ferne konnte man es erkennen, ein Schiff mit vielen gelben Luftballons und weißen Bannern geschmückt. An Deck befanden sich mehr als 150 Passagiere, die einen fröhlichen Tag im Namen Gottes verbrachten. Denn momentan feiert die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ ihr 15-jähriges Bestehen und eröffnete die bundesweit geplanten Festlichkeiten bei herrlichem Sonnenschein mit einer Schiffstour von Bingen nach Mannheim.
„Dieser Tagesausflug schenkt uns Ermutigung und Zusammenhalt“, sagte Mitorganisator Christian Weisner, als das Schiff einen Zwischenstopp in Mainz einlegte. Das Motto der Reise lautete „Gegen den Strom - von Rom“ und verdeutlichte damit das Ziel der Bewegung: die Reformation der alten und verkrusteten Strukturen in der katholischen Kirche.
Scheinheiligkeit, Hierarchie, Prunk, Männerdominanz
Ein besonderes Zeichen setzten die engagierten Aktivisten, indem sie mehrere Papierschiffe in die Rheinströmung entließen. Darauf standen Begriffe wie Scheinheiligkeit, Prunk, Männerdominanz oder Hierarchie von oben. „Denn all diese Dinge wollen wir hinter uns lassen“, erklärte Weisner den Hintergrund der Papierschiffe, die zuvor während eines Gottesdienstes auf dem Schiff gebastelt wurden.
Derweil versammelten sich am Rheinufer einige Passanten, die das bunte Treiben auf dem Schiff gespannt verfolgten. „Von dieser Reformbewegung habe ich schon mal gehört“, bemerkte ein älterer Herr. „Das finde ich sehr gut und wichtig, damit die Herrschaften in Rom auch mal ein bisschen Druck bekommen.“
„Mit dem Strom schwimmen nur tote Fische“
Nach 20-minütigem Stopp in Mainz, wo einige Passagiere zu- und ausstiegen, machte sich das Schiff der Gläubigen weiter auf den Weg in Richtung Mannheim. Natürlich gegen den Strom, wie es das Motto der Schiffstour schon verriet. „Damit wollen wir zeigen, dass auch wir in der katholischen Kirche gegen den Strom schwimmen. Denn mit dem Strom schwimmen nur tote Fische“, sagte der 80-jährige Pfarrer Bernhard Hermann aus Mannheim. Zugleich betonte Weisner, „dass die Kirche durch den Missbrauchsskandal einen starken Vertrauensverlust erlitten hat.“
Dabei habe „Wir sind Kirche“ versucht, eine möglichst diplomatische Position einzunehmen, „und ich glaube auch, dass die Kirchenaustritte ohne unser Bemühen noch größer gewesen wäre.“ Entstanden ist die Initiative, die Zehntausende organisierte Unterstützer hat, 1995 in Österreich.
http://www.allgemeine-zeitung.de/region/rheinhessen/9392766.htm
Zuletzt geändert am 14.09.2010