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Veröffentlicht am 06­.04.2005

6.4.2005 - Deutschlandfunk Interview

"Neuer Papst muss ein ganz anderer sein"

Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" verlangt Reformen

Der neue Papst sollte nach Ansicht der Bewegung "Wir sind Kirche" Reformen in der katholischen Kirche einleiten. Der konservativ fundamentalistische Kurs des verstorbenen Johannes Paul II. dürfe nicht fortgesetzt werden, sagte der Sprecher der katholischen Laienorganisation, Christian Weisner. Sein Nachfolger müsse Änderungen in Fragen wie Zölibat und Sexualmoral durchsetzen.

Klein: Ein Papst mit Ecken und Kanten. Und gerade mit denen hat sich die Bewegung "Wir sind Kirche" vor allen Dingen in den vergangenen Jahren auseinandergesetzt. Am Telefon begrüße ich Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche". Schönen guten Morgen.

Weisner: Guten Morgen Frau Klein.

Klein: Herr Weisner, Sie haben das Wirken des Papstes von der Basis der Katholiken immer stets kritisch begleitet. Was geht Ihnen eigentlich durch den Kopf in diesen Tagen, wenn Sie die Pilgerströme nach Rom sehen, diese ungebrochene Anziehungskraft, die Johannes Paul II. offenbar auf Millionen Menschen nach wie vor ausübt?

Weisner: Ja, ich kann diese Trauer schon sehr verstehen. Diese Stimme für Frieden und Gerechtigkeit, die Papst Johannes Paul II. 26 Jahre lang wirklich sehr verkörpert hat, die fehlt nun natürlich. Aber diese Trauer, denke ich, ist auch richtig, weil sie zeigt, dass eine wichtige kirchengeschichtliche Epoche zu Ende ist, möglicherweise auch sogar eine weltpolitische Epoche zu Ende ist. Diese lange Epoche hat ja noch begonnen mit der Zeit des Kalten Krieges, mit der Öffnung der Mauer. Sie hat uns aber auch in eine ganz neue Globalisierung geführt, dass wir den Ländern der südlichen Halbkugel sehr viel näher sind, auch den 11. September. Wir befinden uns in einer ganz neuen Weltlage. Da sind wir vielleicht auch ein bisschen hilflos. Insofern ist diese Trauer erst mal richtig. Wir müssen aber dann, denke ich, sehr bald nach vorne schauen, denn jetzt gerade in diesen Tagen entscheidet sich, erst mal für die römisch-katholische Kirche, die Weichenstellung der Zukunft. Und deswegen haben wir uns erlaubt, sofort auch eine kritische Sicht der Dinge zu sehen. Denn es ist ja die Frage, dass Johannes Paul II. - bei allem Einsatz für Reformen und Dialog, die er von der Welt gefordert hat - so traurig und so schmerzhaft das ist, dass er das innerhalb seiner eigenen Kirche nicht zugelassen hat.

Klein: Herr Weisner, schauen wir nach vorne. Was erwarten Sie denn vom künftigen Pontifikat?

Weisner: Das ist natürlich jetzt noch sehr, sehr schwer zu sagen. Die Schuhe, wie man so schön sagt, die Papst Johannes Paul II. hinterlassen hat, sind so groß. Der neue Papst muss ein ganz anderer sein, das hat auch der Kardinal von Chicago so gesagt. Und es ist ja nicht nur so, dass der Papst ausgewechselt wird oder ein neuer Papst kommt. Es wird natürlich auch innerhalb der römischen Kurie, und das scheint mir ganz wichtig, auch da muss ein Wechsel stattfinden. Allein schon all das bedingt Josef Kardinal Ratzinger, der in Rom ja für die Glaubenskongregation zuständig ist, wollte eigentlich schon lange selber in den Ruhestand gehen, da muss etwas kommen. Wir sind allerdings in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Denn, das muss man auch ganz offen sagen, das Kardinalkollegium, das den Papst, den neuen Papst wählen wird, ist sehr konservativ, dominiert von vielen Kardinälen, die Papst Johannes Paul II. in seiner langen Amtszeit selber ja in den Kardinalstand erhoben hat, und was wirklich nicht passieren darf, dass so ein fundamentalistischer, konservativer Kurs weitergeführt wird. Und dann darf man sich auch nicht täuschen lassen, dass möglicherweise ein Kardinal aus Südamerika hierher kommt, was ja erst mal ein gutes Zeichen wäre, aber wenn der dann Opus Dei angehört, dann wäre das kein gutes Zeichen.

Klein: Gut, fundamentalistischer Kurs sagen Sie jetzt, meine Frage zielte eigentlich inhaltlich darauf ab, was sie von einem Nachfolger von Johannes Paul II. erwarten. Stichwort Zöllibat, Laienprädiger, Rolle der Frauen.

Weisner: Richtig, Sie sprechen genau so Punkte an. Und eine positive Bewertung der Sexualität, eine andere Einstellung, nicht diese sehr rigide Sexualmoral, die Johannes Paul II. verkündet hat. Das sind Punkte, die angegangen werden müssen. Das wird jetzt nicht ruckweise geschehen können. Aber wir brauchen dann doch dringend Zeichen des Nachfolgers, der sagt, es wird sich in diesen Fragen und vor allem, würde ich erst mal sagen, ist es die Frage der Frauen in der katholischen Kirche. Da muss sich etwas ändern. Aber in der katholischen Kirche geht es wirklich nicht ruckweise, sondern man muss einfach jetzt eine neue, andere Tradition entdecken. Die Frauen haben ja das Leben Jesu von Anfang an mitbestimmt, diese Tradition gilt es zu entdecken. Und das muss der neue Nachfolger bringen. Was anderes, was uns eigentlich auch noch sehr wichtig ist, was wir immer wieder eingefordert haben, es muss wieder vielmehr Dialog in der Kirche geben. Die römisch-katholische Kirche ist nicht so patriarchalisch und nicht so hierarchisch, wie Johannes Paul II. sie in den 26 Jahren verkörpert hat. Sie hat seit dem 2. vatikanischen Konzil, dem großen Reformkonzil auch eine sehr starke synodale Struktur, das heißt die Bischofskonferenzen, die Ortkirchen müssen wieder viel mehr Gewicht in der Kirche haben.

Klein: Sie haben selber gesagt, dass Veränderungen, die Sie anmahnen, die Sie sich wünschen, nur allmählich und langsam wohl vonstatten gehen werden. Was denken Sie denn, mit welchem Vertreter wäre das am ehesten möglich?

Weisner: Also da muss ich ehrlich sagen, kenne ich mich zu wenig aus. Und das bringt ja auch nichts, da jetzt Orakel zu lesen und zu deuten. Und man muss ja auch so sehen, die Erwartungen, die an den damals sehr jungen, sportlichen - ich muss das gar nicht wiederholen - Papst Johannes Paul II. gewesen sind, dass man sagt, der bringt frischen Wind in die Kirche, die Erwartungen, die damals gewesen sind, hat er ja gar nicht erfüllt, sondern da hat sich doch ein ganz anderes Kirchen- und Papstbild daraus entwickelt. Und so ist es ja auch, dass also auch ein neuer Papst, wenn er auf diesem Stuhl Petri sitzt, möglicherweise ein ganz anderes Bild entwickelt. Es ist jetzt so sehr die Sprache davon, "ja der Heilige Vater, wir haben eine Vaterfigur verloren". Eigentlich hat Jesus gesagt, "Ich bin euer Bruder". Vielleicht brauchen wir wirklich in dieser Hinsicht einen ganz neues Papstbild, ein ganz neues Kirchenbild, und das würde auch genau einer Dialogkultur entsprechen, einer synodalen Kirche, wo die Bischöfe gemeinsam mit dem Papst die Kirche leiten.

Klein: Wie sehen Sie die Gewichtung im Konklave? Besteht die Gefahr, dass sich die 117 Kardinäle über längere Zeit blockieren werden und wir einen sehr langen Prozess dieser Personenfindung haben?

Weisner: Ja, die Gefahr ist da. Johannes Paul II. hat 1996 ja das Papstwahlverfahren ganz wesentlich geändert. Ich muss sagen, dass ist uns selber damals auch gar nicht sofort bewusst geworden, was für schlimme Auswirkungen das hat. Denn nach dem 33. Wahlgang können ja die Kardinäle beschließen, dass die einfache Mehrheit gilt. Und das würde heißen, dass wir dann eigentlich so Kampfabstimmungen bekommen. Ich kann eigentlich nur warten und hoffen, dass die Kardinäle so klug sind, und da appelliere und hoffe ich sehr auf die Klugheit und wir sagen in der Kirche auch auf den Heiligen Geist, dass sie so klug sind, einen Nachfolger zu finden, der wirklich eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also der von allen Richtungen einen Konsens hat, der keine Einseitigkeit hat.

Klein: Christian Weisner, Sprecher der katholischen Bewegung "Wir sind Kirche". Vielen Dank.

Zuletzt geändert am 04­.11.2007