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Veröffentlicht am 09­.09.2022

4. Synodalversammlung

Persönlicher Bericht aus der 4. Synodalversammlung

Donnerstag, 8. September 2022: Sprachlos!

 Synodaler Weg / Maximilian von Lachner


Der erste Tag der 4. Synodalversammlung fing so gut an. Der angesagte Regen fiel aus. Die Reformkräfte kfd, KDFB, Maria 2.0, BDKJ, KJG, #OutInChurch und natürlich auch Wir sind Kirche begrüßten die Synodalen in erwartungsfroh guter Stimmung. Nach der Eröffnungspressekonferenz (https://www.synodalerweg.de/service/aktuelles/meldung/vierte-synodalversammlung-des-synodalen-weges-eroeffnet) kam das Präsidium des Synodalen Weges kurz zu den Demonstrierenden. Das offizielle Foto auf der Webseite des Synodalen Weges (SW): https://www.synodalerweg.de/fileadmin/_processed_/f/8/csm__DSC5056_c06ce119da.jpg

Die Versammlung begann am Donnerstag um 14 Uhr mit einem Wortgottesdienst. Nach dem Bericht des Präsidiums dann aber erste Misstöne, in dem die differenzierten Aussagen in einem ZEIT-Interview von der ZdK-Präsidentin zum Thema Abtreibung (das nicht im Synodalen Weg angesprochen ist!) von einigen Teilnehmenden, auch Bischöfen, kritisiert wurden. Danach der Bericht der AG Verantwortungsgemeinschaft, wie der Betroffenen von sexualisierter Gewalt bedacht werden soll.

Um 15 Uhr gab es ein zusätzliches (aus meiner Sicht sehr überzeugendes) Pressestatement von Bischof Helmut Dieser und Birgit Mock, den Co-Vorsitzenden des Synodalforums „Leben in gelingenden Beziehungen“, nachdem eine Aussage von Bischof Dieser in einem „Christ&Welt“- Interview Aufmerksamkeit erregt hatte (https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2022-09/deutschland-sexuallehre-kirche-reformen-bischof-dieser-aachen.html).

Für den Donnerstag sah das straffe Programm vor, innerhalb von knapp fünf Stunden über die drei Grundtexte „Leben in gelingenden Beziehungen“, „Frauen in Diensten und Ämtern“ sowie „Priesterliche Existenz heute“ in zweiter endgültiger Lesung abzustimmen. Doch dies ist krachend gescheitert.

Als erstes stand der Grundtext „Leben in gelingenden Beziehungen“ auf dem Programm. Wie das Statut es vorsieht, stellten die beiden Co-Vorsitzenden die intensive  Arbeit am Text im Synodalforum sowie die Eingaben aus der Synodalversammlung vor, über die dann einzelnen abgestimmt wurde. Die in diesem Forum geleistete Arbeit wurde von vielen sehr anerkannt. 82 Prozent der 209 Synodalen stimmten dann für den Grundtext, doch nur 61 Prozent der Bischöfe (33 ja, 21 nein, 3 enthalten). Die laut Statut des SW jeweils notwendige Zweidrittel-Mehrheit war damit nicht gegeben.

Eine sehr große Betroffenheit im Präsidium wie im Saal, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Einige Betroffene standen schweigend, andere riefen etwas, einige verließen den Saal. Spontan entstanden viele Murmelgruppen im Saal. Erste sehr eindrücklich-betroffene Statements der vier Personen des Präsidiums (Bätzing, Bode, Stetter-Karp und Söding) und der beiden Co-Vorsitzenden. Es folgte eine lange sehr offene Aussprache mit mehr als 50 Wortmeldungen. Alles nachhörbar auf https://www.synodalerweg.de/livestream. Nach dem Abendimbiss dann getrennte Sitzungen der Bischöfe und der Nicht-Bischöfe, jetzt aber unter Ausschluss der zahlreichen Presseleute.

Die Analyse fällt schwer. Vor allem aber: Wie kann es heute am Freitag mit den Handlungstexten dieses Forums und mit den anderen Grundlagentexten des Synodalen Weges weitergehen? Ist der Synodale Weg in dieser Form gescheitert? Oder löst er eine produktive Unruhe aus, auch für den weltweiten Synodalen Prozess?

Karikatur: (c) Gerhard Mester

 

Sprachlose Grüße aus Frankfurt

C h r i s t i a n   W e i s n e r

 

Freitag 9. September 2022: Ratlos! Tal- und Bergfahrt 

Nach dem gestrigen „Desaster“ und „Schock“ (so auch Bischöfe), dass der Grundtext des Synodalforums „Leben in gelingenden Beziehungen“ nicht die laut Satzung erforderliche Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe  erhalten hat, heute am Vormittag eine große Ratlosigkeit. Kann die Tagesordnung jetzt so weiter gehen? Kann die Synodalversammlung heute Mittag überhaupt Eucharistie feiern oder nur einen Wortgottesdienst? Irritierend, dass bekannt wird, dass einige Kleriker heute Morgen schon konzelebriert haben, weil dem Gottesdienst der Synodalversammlung nur Bischof Bätzing vorstehen würde.

Statements zu gestern Abend von Bischof Bätzing und Dr. Stetter-Karp. Geschäftsordnungsanträge, generelle Aussprache. Es wird sehr deutlich, wie sehr die Bischöfe durch ihr gestriges Abstimmungsverhalten ohne sich vorher an der Diskussion beteiligt haben, das Vertrauen vieler verloren haben. Der Zeitplan ist voll aus dem Ruder gelaufen. Am Vormittag noch der Tagesordnungspunkt „Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs“ mit langen Berichten von Bischof Ackermann und Johannes Norpoth aus dem Betroffenenbeirat bei der DBK.

Kurz vor der Eucharistiefeier um 12 Uhr stellen die Co-Vorsitzenden Bischof Dr. Bode und Prof’in Sattler den Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ vor, Bischof Kohlgraf dann die Änderungsempfehlungen. Die schlichte, aber eindrucksvolle Eucharistiefeier findet im Versammlungsraum statt: Evangelium von den Seligpreisungen, wunderbare etwas verjazzte musikalische Begleitung. Das Lied „Meine engen Grenzen...“ passt sehr zur Stimmung in der Versammlung nach dem gestrigen Abstimmungsdesaster. Im Gottesdienst kamen mir die Tränen, als mir bewusst wurde, was die gestrigen Textbeschlüsse für die betroffenen queeren Menschen und die jungen Frauen in dieser Kirche bedeutet.

Die Mittagessenpause im Stehen gibt allen viele Möglichkeiten zum Gespräch. Ab 14 Uhr zunächst ermutigende Berichte der drei Beobachtenden aus der Schweiz (Bischofsvikar Georges Schwickerfath), Luxemburg (Marie-Christine Ries) und Belgien (Bischof Johan Bonny). Mit dem Abstimmungsschock von gestern folgt eine intensive Diskussion über den Grundtext zur Rolle von Frauen in der Kirche. Heute melden sich deutlich mehr Bischöfe (17) und Weihbischöfe (10) als gestern zu Wort. Vor der Abstimmung bittet Bischof Bätzing nochmal alle „Mitbrüder“ zur Klausur. 

Um 18:01 Uhr dann die Abstimmung des Grundtextes „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, der mit großer Mehrheit (92 Prozent) der Stimmen der Synodalversammlung verabschiedet wird. Anders als bei der gestrigen Abstimmung gibt es heute eine namentliche Abstimmung bei den Bischöfen. Von den 62 anwesenden Bischöfen stimmten 45 mit Ja, damit wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe erreicht. Beifall. Dorothea Sattler (die wohl die Hauptarbeit geleistet hat) und Bischof Bode geben sehr erleichtert ein kurzes Statement der Presse.

Dann folgt wieder das Thema „Gelingende Beziehungen...“, diesmal die beiden Handlungstexte, die auch mit großer Mehrheit, auch der Bischöfe beschlossen werden. Die Niederlagen gestern hat nicht zum Durchfallen der Handlungstexte geführt. 20:30 Uhr Ende der Arbeitssitzung. Abendessen. Das Präsidium will am Abend darüber beraten, wie morgen weitergearbeitet werden kann. Wie am Morgen so auch am Abend wieder ein geistlich-musikalischer „Einhalt“.

 

Samstag 10. September 2022

noch nicht vollständige und redigierte Fassung:

Auch der dritte Tag beginnt wieder musikalisch-spirituell, allerdings auch mit zeitraubenden Geschäftsordnungsanträgen, deren Ziel es ist, noch möglichst viele der insgesamt 14 Beschlusstexte zu behandeln. Am Ende dieser Synodalversammlung werden es "nur" sieben beschlossene Texte sein. Vorgestellt und ausführlich diskutiert wird heute Vormittag der Handlungstext „Synodalität nachhaltig stärken: Ein Synodaler Rat für die katholische Kirche“ des Macht-Forums. Davon erhofft man sich, einen Prozess einzuleiten, der Synodalität und Partizipation für die Kirche in Deutschland auf Dauer stellt, und ein Gremium zu haben, das die Themen bearbeitet, die wegen des Zeitdrucks hinten runterfallen.

Nach der Mittagspause stehen dann drei unterschiedliche Handlungstexte auf dem Programm, die alle mit hoher Zustimmung von über 80 und 90 Prozent angenommen werder. Bei der ersten Lesung ist keine Extra-Auszählung der Bischofsstimmen vorgesehen. Debattiert wird allerdings, ob der Wunsch nach geheimer oder der nach namentlicher Abstimmung mehr gilt. Hier sind Satzung und Geschäftsordnung nicht ganz präzise formuliert. Die Sitzungsleitung entscheidet zugunsten der beantragten namentlichen Abstimmung.

Die beiden Handlungstexte "Enttabuisierung und Normalisierung – Voten zur Situation nicht-heterosexueller Priester“ und "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" werden in der Praxis vielleicht mehr Wirkung entfaltlen, als der am Donnerstag abgelehnte Grundtext "Leben in gelingenden Beziehungen". Dessen fehlende Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe haben einige Betroffene ja nicht nur als Ablehnung eines Textes, sondern als Ablehnung ihrer Person empfunden - und ich finde zu Recht. Der als letztes beschlossen Handlungstext „Verkündigung des Evangeliums durch Frauen in Wort und Sakrament“ ist ein Zeichen an die Frauen, das schnell umsetzbar ist.

Als zukunftsweisend werteten viele Synodale insbesondere den Beschluss zur Einrichtung eines Synodalen Rates, der in erster Lesung 93 Prozent der Mitglieder der Synodalversammlung und 88 Prozent der Bischofstimmen erhielt und weiter ausformuliert werden kann. Die Änderungsanträge erhalten dann den Spitzenwert an Zustimmung von 97,7 Prozent.

Möglicherweise wird es im Laufe des Winters noch eine zusätzliche Online-Versammlung geben, um die noch nicht diskutierten Papiere zu behandeln. Eine zusätzliche Präsenz-Sitzung vor der fünften und letzten Synodalversammlung vom 9. bis 11. März 2023 schließt das Präsiduum wohl auch aus Kostengründen aus. 

Ein großes Lob verdienen die drei jeweils paritätisch (Kleriker/Nicht-Kleriker*in, Mann/Frau) besetzten Moderationsteams. Hier wie auch bei den Synodalforen und Antragskommissionen wird Teamleitung erfolgreich praktiziert.

Während der letzten Minuten der Versammlung und der Abschlusspresskonferenz (wieder mit den vier Präsidialen des Synodalen Weges) entwerfe ich eine resümierende Pressemeldung für Wir sind Kirche, stimme sie mit einigen aus der KirchenVolksBewegung ab und versende sie. Titel: "Fast gescheiterter Lernprozess der Synodalität" > Link

 

Günther M. Doliwa zu den Aussagen von Bischof Helmut Dieser

Dem folgen, was lebendig macht – Aufbruch zur Befreiung
Umkehr der Tradition zum Ereignis
Tradition lebt auf, wenn man sich überraschen lässt durch kreative Zukunft

In der Versammlung war viel zu hören von der Übung des prophetischen Weges im gemeinsamen Geist Jesu. Alarmierend findet Bischof H. Dieser den Spalt zwischen konservativen Bischöfen und Gläubigen. Er legt den konservativen Bischöfen Dialogbereitschaft ans Herz als Übung zusammenzukommen, nicht isoliert unter sich zu verharren. Als enttäuschend bemerkt er, was es deshalb zu vermeiden gelte: 1. Polemik. 2. Selbstbezügliches Klagen. 3. Verzögerungstaktik. 4. Verlagerung in die Ferne. Dies sind alles Symptome, das Leben der Gegenwart lahmzulegen. Was gegolten hat und gut war, solle zwar bleiben; aber das Konservative ist zu verlebendigen. Ängste vorschieben, um den Weg zu untergraben, helfe nicht aus der Krise. Das dogmatisch abgesicherte traditionelle Reden von Gott blendet soziale Realitäten, konkrete Lebens- und Leiderfahrungen und Unrechtsstrukturen aus. Es verübt eine „Gewalt der Abstraktion“ (B. Harrison). So taucht Gott als Befreiungsmacht unter statt auf. Eine Umkehr der Tradition zum Ereignis steht an. Vor uns liegt ein Weg. Kaum sind wir da, schon sind wir schon - Weg! Weg ist Geschenk. Weg ist Gnade. Weg ist Umweg. Weg ist Kraft mal Zeit. Nicht zu erzwingen, nicht vorschreibbar. Bedingt wie alle Geschichte, offen wie ein modernes Bühnenstück. 


 

Hinweise:
Redebeiträge der Synodalversammlung finden sich unter www.synodalerweg.de. Hier sind auch die Grundlagen- und Handlungstexte sowie die Abstimmungsergebnisse der Änderungsanträge bereitgestellt. Kostenfreies Bildmaterial ist unter https://fotograferei.de/kunden/dbk verfügbar. Bitte Copyright beachten!

Die Livestreams der vierten Synodalversammlung und die Pressekonferenzen sind als Videos unter www.synodalerweg.de sowie auf dem YouTube-Kanal der Deutschen Bischofskonferenz in deutscher und englischer Sprache abrufbar.

Die fünfte Synodalversammlung findet vom 9. bis 11. März 2023 in Frankfurt am Main statt.

 

 

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Zuletzt geändert am 19­.09.2022