16.9.2012 - „l’Unità“
Große Versammlung der Konzils-Katholiken in Rom am Samstag, 15. September
von Roberto Monteforte
Dem Konzil Leben geben, es zur Anwendung bringen, mit Freude und Hoffnung in die Zukunft schauen, da die volle Umsetzung des Konzils noch in weiter Ferne liegt: Dieses Thema war Gegenstand der Diskussionen bei der gestrigen sehr gut besuchten Versammlung im Hörsaal des „Istituto Massimo“ in Rom. „Kirche aller, Kirche der Armen“ lautete das Motto des Treffens zum 50. Jahrestag des Konzilsbeginns, an dem 104Verbände, kirchliche Gruppen, Bewegungen, Zeitschriften und Organisationen teilnahmen. Allen gemeinsam war das Anliegen, dass die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht in Vergessenheit geraten oder relativiert werden.
Über 700 Teilnehmer aus ganz Italien waren anwesend – ein deutliches Zeichen dafür, wie ausgeprägt und ausgedehnt der Ruf nach einer dialogbereiten Kirche ist, die voll Vertrauen und Hoffnung in Kontakt mit der gegenwärtigen Welt steht und den Mut hat, sich selbst zu ändern. Das Treffen begann mit einem Gedenken an Kardinal Carlo Maria Martini und seinen prophetischen Mut.
Theologen, Historiker, Wissenschaftler und Kirchenvertreter stellten die Kernpunkte heraus, die das Konzil seit dem Beginn seiner Auslegung der Kirche vor Augen stellt. Auch die Frage, ob das Konzil einen Bruch oder eine Fortschreibung der kirchlichen Tradition darstellt, wurde erörtert. „Diese Debatte sollte nicht mehr geführt werden, da sie den Kern des Konzils nicht trifft. Denn der Wandel in der Kirche war schon vor dem Konzil im Gang; sowohl die Lehre als auch ihre Bedeutung ist einer ständigen Veränderung unterworfen. Wenn die Kirche immer dieselbe bleibt, bedeutet das für die Tradition, dass sie lebendig und ständig in Entwicklung sein muss, um die kirchliche Überlieferung zu vergegenwärtigen und sie angesichts der immer neuen Zeitumstände zu aktualisieren.“ Dies ist die Überzeugung des Theologen P. Carlo Molari. „Die Vielzahl der Lehren und auch der Brüche in der Kirche sind wichtig für ihre Entwicklung“, so Molari. Es ist nötig, dass sich die Kirche an die moderne Welt „anbindet“.
Der Historiker Giovanni Turbanti beschrieb den geschichtlichen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmen, der zur Einberufung des Konzils geführt hatte. Die Bibelwissenschaftlerin Rosanna Virgili unterstrich „die befreiende Freude der christlichen Botschaft und den fundamental wichtigen Beitrag der Frauen.“ „Gott spricht zu den Frauen, er sagt, dass sie Träger eines Glaubens sind, der niemanden ausschließt; da die Frauen Gott nicht fern sind und er mit ihnen redet, werden diejenigen Gesetze relativiert, die Unterschiede festlegen oder diskriminieren, denn diese Gesetze sorgen nur für Feindschaft.“
Cettina Militello referierte über die „Zukunftsaussichten einer Hoffnung auf ein echtes Aggiornamento“. Sie sagte: „Es ist nötig, von der Konzils-Hermeneutik zu einer Anwendung des Konzils zu gelangen, zu einer Anwendung all dessen, was die Konzilsväter mühevoll erarbeitet haben.“ Militello unterstreicht die Wichtigkeit des „Aggiornamento“, also der „Verheutigung“ der Kirche und lädt ein, über die Hoffnung auf eine „wirkliche Erneuerung“ der Kirche und ihrer prophetischen Kraft angesichts des kulturellen Wandels nachzudenken. Dazu gehören nach Militello „die Bereiche der Liturgie, des kirchlichen Selbstverständnisses, das immer intensivere Verinnerlichen des Wortes Gottes sowie der Bereich des Dialogs zwischen Kirche und Welt.“ Zu letzterem gehöre auch die Ökumene und der interreligiöse Dialog. Militello beschrieb die gegenwärtigen Grenzen der tätigen Teilnahme, der synodalen Struktur, des Zuhörens und des Dialogs – eigentlich notwendige Voraussetzungen für den von den Konzilsvätern gewünschten Strukturwandel der Kirche, der eine Rückkehr zum Leben nach dem Evangelium in Mitsorge und echtem Miteinander zum Ziel hat.
Als Konzilszeuge sprach Abt Giovanni Battista Franzoni von den Benediktinern der Basilika San Paolo von der „Option für die Armen“ und vom Mut des Papstes Paul Vi. Der Waldenser-Theologe Paolo Ricca betonte die Notwendigkeit, dem „Volk Gottes“, den Laien in der Kirche, die ja die Nachfolger der Jünger Jesu seien, einen höheren Stellenwert zuzumessen. Dies unterstrich auch Raniero La Valle zum Schluss der Tagung. „Es ist festzuhalten: Es gibt nicht nur die apostolische Sukzession von Petrus zu unseren Bischöfen und zum Papst. Es gibt auch eine laikale Sukzession, die nicht weniger wichtig als die apostolische ist.“ Ohne die laikale Sukzession „gäbe es weder das Volk Gottes noch die Kirche der Apostel.“ La Valle betonte, dass die Kraft des Zweiten Vatikanischen Konzils darin bestand, alle vorherigen Konzilien hermeneutisch zu deuten. Deshalb „darf das Zweite Vatikanische Konzil nicht kleingeredet oder beiseitegelegt werden.“
Dies seien auch Anlass und Ziel dieser Versammlung. La Valle lud ein, die Bemühungen des Konzils um eine neue Politik, eine neue Gerechtigkeit, eine neue Wirtschaftsordnung und um eine Kirche für die Armen und mit den Armen weiterzutragen. Dafür, so La Valle weiter, habe das Konzil den Laien eine Reihe von neuen Aufgabenbereichen übertragen. „Auf dem Gebiet der Reform der Kirche und ihrer Strukturen ist das Konzil in den Kinderschuhen steckengeblieben. Die anti-konziliaren Kräfte der Kirche haben die Kollegialität blockiert und stattdessen die Zügel der Abhängigkeit von der Hierarchie angezogen.“
Dennoch sei eine neue Kirche möglich, denn sie habe eine wichtige Botschaft zu verkünden. Diese Aufgabe, so La Valle, sei mit dieser Versammlung nicht erledigt; es gebe weiterhin Gelegenheit, um Überlegungen und Initiativen zu vernetzen und den Aktionen der einzelnen Kirchen teilzunehmen, die auf das Jahr 2015 gerichtet sind, den Jahrestag des Konzilsendes. Dazu werde es informelle Zusammenschlüsse verschiedener Engagierter geben, um den Ausspruch „Das Konzil liegt in euren Händen“ – vor allem in den Händen der Armen – in die Tat umzusetzen.
Original: A Roma una grande assemblea dei cattolici “conciliari” sabato 15 settembre
Zuletzt geändert am 22.09.2012