| |
Veröffentlicht am 21­.09.2020

21.9.2020 - KNA aktuell

Reformer und Konservative - ein Blick auf die Flügel der Kirche

Jubiläen bei Wir sind Kirche und Forum Deutscher Katholiken

Die einen fordern Veränderungen - die anderen auch. Doch über deren Inhalt sind Reformkräfte und Konservative in der katholischen Kirche gegensätzlicher Ansicht. Zwei Exponenten der Flügel feiern jetzt Jubiläen.

Von Christoph Renzikowski und Christopher Beschnitt (KNA)

München (KNA) Im Herbst vor 25 Jahren votierten 2,3 Millionen Katholiken in Österreich und Deutschland in einer Unterschriftenaktion für Reformen in ihrer Kirche. Damit schlug die Geburtsstunde von Wir sind Kirche. Fünf Jahre später formierten sich konservative Kräfte im Forum Deutscher Katholiken. Die beiden Jubiläen geben Anlass zu einem Blick auf die Flügel der Kirche, die bei allen gegensätzlichen Positionen
einiges eint.

Beide Gruppierungen haben ihren Sitz in Bayern und bewegen sich organisatorisch am Rand der verfassten Kirche in Deutschland. Dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als dem von den Bischöfen anerkannten repräsentativen Organ der Katholiken gehören sie nicht an, obwohl ZdK-Präsident Thomas Sternberg 2017 einen solchen Wunsch öffentlich aussprach. Man will doch lieber unabhängig bleiben
- und agiert entsprechend als eine Art auÿerparlamentarische Opposition.

Während Wir sind Kirche nur eine lose Struktur und keine bezierbare Mitgliederstärke hat, rmiert das Forum als eingetragener Verein. Über die Zahl der aktiven Mitstreiter halten sich beide bedeckt. Für einen gröÿeren Apparat reicht die nanzielle und personelle Unterstützung auf keiner Seite.
Über eine formelle kirchliche Anerkennung verfügen die Gruppen auch nicht. Das Forum aber wird bei seinen jährlichen Freude am Glauben-Kongressen von Bischöfen beehrt und erhält Gruÿworte des Papst-Botschafters in Deutschland; sogar vom Kirchenoberhaupt selbst gab es die früher. Über einen ähnlich oenkundigen Rückhalt bei hohen Würdenträgern verfügt Wir sind Kirche nicht. Dafür sind die inhaltlichen und persönlichen Bindungen zum ZdK inzwischen enger.

Beide Gruppierungen erheben trotz eines fehlenden Mandats einen gewissen Vertretungsanspruch. Das Forum versteht sich als Sprachrohr der traditionsbewussten Katholiken. Äußerungen von Bischöfen oder dem ZdK, die im Konikt mit der geltenden katholische Lehre in Glaubens- oder Sittenfragen stehen, werden öentlich gerügt. Bei allem Beharren in Fragen der Doktrin tritt das Forum gleichwohl auch für Veränderungen ein, teils im spirituellen, aber auch im politischen Bereich - dort explizit in eine rechtskonservative Richtung.

Wir sind Kirche sieht sich als Speerspitze derer, die vollen Zugang für Frauen zu allen Ämtern, eine Abschaung der verpichtenden Ehelosigkeit für Priester, eine liberalere Sexualmoral sowie mehr Mitsprache von Gläubigen fordern. Das seien bestimmt zwei Drittel aller deutschen Katholiken,
schätzt man bei Wir sind Kirche und fühlt sich durch Meinungsumfragen darin bestätigt. Auch im Reformprojekt Synodaler Weg sind viele der Themen angekommen und werden oenbar von zahlreichen Teilnehmern unterstützt.

Jüngere Generationen zu mobilisieren, fällt beiden Kräften schwer. Konservative junge Christen gehen lieber zu den Mehr-Konferenzen des Augsburger Theologen Johannes Hartl. Wir sind Kirche wird vor allem von aufgeschlossenen Gläubigen geschätzt, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) groÿ geworden und entsprechend in die Jahre gekommen sind.

Wir sind Kirche-Aktivisten haben ihre regelmäÿigen Auftritte in säkularen Medien. Das Forum dagegen bevorzugt Kanäle, denen es sich von der Ausrichtung her verbunden fühlt, das österreichische Portal kath.net etwa oder die Wochenzeitung Die Tagespost in Würzburg. Untereinander
scheint es keinen Kontakt zu geben, doch in medialen Debatten über Kirchenpolitik dauert es meist nicht lang, bis von
beiden Flügelkämpfern gegensätzliche Statements vorliegen.

Im Verhältnis zum Papst hat sich mit der Wahl von Franziskus ein bemerkenswerter Wandel ereignet. Attackierte Wir sind Kirche dessen Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. scharf und häug, so erscheint den Reformern das amtierende Kirchenoberhaupt nun als Honungsträger. Für das Forum, das zum Zeichen seiner Papsttreue die Kuppel des Petersdoms im Logo führt, sind manche Äuÿerungen des lateinamerikanischen Papstes hingegen nur schwer zu akzeptieren, weswegen dort viele den vorigen Päpsten nachtrauern und ihrer Enttäuschung im Internet Luft machen. Wobei die Leitung des Forums oene Kritik am Nachfolger Petri vermeidet.

Ansonsten ist das Forum nicht zimperlich. So wurde beim Freude am Glauben-Kongress 2019 eine Resolution verabschiedet, die eine Keule der 'political correctness' im öentlichen Umgang, den zwangsnanzierten Staatsfunk und angebliche Sanktionen für Regierungskritiker geiÿelte. Kritiker
sahen darin eine Nähe zur AfD und zu Verschwörungsmythen.

Grenzüberschreitungen sind aber auch Wir sind Kirche nicht fremd. Beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin organisierte man eine katholische Messe in einer evangelischen Kirche, bei der Nicht-Katholiken ausdrücklich zur Kommunion geladen wurden, was oziell verboten
ist. Die beteiligten Priester wurden danach suspendiert.

Zuletzt geändert am 22­.09.2020