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Veröffentlicht am 19­.07.2019

19.7.2019 - Trierer Volksfreund

Ein neuer Schock und viele Schlussfolgerungen beim Bistum Trier

Die jüngsten Austrittszahlen lassen im Bistum Trier die Alarmglocken läuten. Doch bei der Suche nach den Gründen gehen die Meinungen auseinander.

2014 war für die katholische Kirche ein Schockjahr. Bundesweit schnellten die Austrittszahlen in die Höhe. Es seien die Nachwehen des Skandals  um den Limburger Prunk-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, lautete damals eine der Begründungen. Eine andere hatte der damalige Trierer Generalvikar Georg Bätzing, der den nach Rom wegbeförderten Tebartz-van-Elst zwei Jahre später beerben sollte. Bätzing machte für die überproportional stark gestiegenen Austrittszahlen vor allem das geänderte Verfahren zum Abzug der Kirchensteuer bei Kapitalerträgen verantwortlich. Zudem, so der ehemalige Verwaltungschef des Bistums, sei die Kirche für viele nicht mehr wie eine Familie, sondern eher wie ein Verein oder eine Partei.

Das klang in beiden Fällen nicht gerade so, als könne man die Schuld an der Misere bei der katholischen Kirche und ihren irdischen Repräsentanten suchen, sondern eher bei den Finanzbehörden oder den Gläubigen selbst.

Doch es gibt auch andere Punkte, die bistumskritische Initiativen wie die Vereinigung der Missbrauchsopfer im Bistum Trier, „Missbit“, anführen, wenn sie nach möglichen Gründen für die Austrittswelle gefragt werden. Es liege doch auf der Hand, dass die Austrittszahlen auch etwas mit der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zu tun hätten, sagt „Missbit“-Sprecher Thomas Schnitzler. Dabei gehe es auch um Punkte wie die mangelnde Lernbereitschaft und fehlende Glaubwürdigkeit.

Von Glaubwürdigkeit spricht auch der Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg. Er sagt, dass die Kirche erst dann wieder glaubwürdig werde, wenn sie sich den Lebensbedingungen und Situationen der Menschen annähere. Und wenn sie Interesse zeige für deren Themen und Bedürfnisse.

Zumindest dieser Schlussfolgerung von Bischof Stephan Ackermanns rechter Hand dürften auch die Kritiker zustimmen.

Gemessen daran sind die Aussagen von Bätzings Nachfolger Ulrich Graf von Plettenberg fast schon revolutionär. Der Generalvikar von Bischof Stephan Ackermann forderte angesichts der neuerlich rekordverdächtigen Austrittszahlen am Freitag doch tatsächlich „seine“ Kirche dazu auf, etwas zu ändern: „Haltungen, Arbeitsweisen, aber auch Strukturen“, sagte der oberste Verwaltungschef des Bistums wörtlich

 
Kommentar von Rolf Seydewitz

Schluss mit dem Vertrösten!

In einem Punkt sind sich der Trierer Generalvikar und die Kritiker einig: Die katholische Kirche hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Doch damit ist die Gemeinsamkeit auch schon fast erschöpft. Denn ob die Konsequenzen aus der Synode der Weisheit letzter Schluss sind, muss sich erst noch zeigen. Es könnte auch ein Schuss in den Ofen werden. Und dann?

Es ist bei den nun im Bistum und darüber hinaus anstehenden Reformen aber auch nicht damit getan, dass an der ein oder anderen Schraube nur ein bisschen gedreht wird, wie dies die deutschen Bischöfe in der Vergangenheit gerne gemacht haben; im Vertrauen darauf, dass sich das Murren der Gläubigen schon wieder legen werde, wenn nur genug Zeit verstrichen ist. Um dann so weiterzumachen wie davor.

Diese Strategie wird dieses Mal nicht mehr fruchten. Die Gläubigen sind das ewige Vertrösten satt, ebenso wie die Ausflüchte und Ausreden. Symptomatisch für das katholische Beharrungsvermögen ist der Umgang der Männerkirche mit Frauen, die den Altar mit Blümchen schmücken dürfen und neuerdings auch mal einen schönen Posten in der Trierer Bistumsverwaltung bekommen. Mehr aber auch nicht.

Wenn es der Generalvikar wirklich ernst meint mit der von ihm angesprochenen Notwendigkeit, Strukturen und auch Haltungen zu verändern, könnte sich von Plettenberg ja mal für die Weihe von Priesterinnen oder Diakoninnen aussprechen. Das wäre wirklich mutig. Und die katholische Kirche würde ein Stück verlorengegangene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

 

https://www.volksfreund.de/nachrichten/topthemen/die-juengsten-austrittszahlen-lassen-im-bistum-trier-die-alarmglocken-laeuten_aid-44225223

 

Zuletzt geändert am 22­.07.2019