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Veröffentlicht am 22­.02.2019

21.2.2019 - junge welt

»Bischöfe bei Vertuschungen zur Rechenschaft ziehen«

Sexueller Missbrauch durch Priester

Christian Weisner ist Mitglied im Bundesteam der »Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche«, die 1995 in der BRD mehr als 1,8 Millionen Unterschriften für eine Erneuerung der katholischen Kirche sammelte

In den letzten Jahren sind Tausende Fälle sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester bekannt geworden. Jetzt will Papst Franziskus ein Zeichen setzen: Er lädt die Leiter der nationalen Bischofskonferenzen zu einem Treffen, das vom heutigen Donnerstag bis Sonntag dauern wird. Was erwarten Sie davon?

Dieser Gipfel ist dringend notwendig. Die Missbrauchsfälle sind seit Jahrzehnten bekannt, nur wurde und wird das Problem in vielen Teilen der Welt immer noch ignoriert. Dieses Tabu zu beenden, muss das erste Ziel sein. Es wäre schon gut, wenn in allen Ländern und auf allen Ebenen möglichst bald wenigstens das gleiche Problembewusstsein erreicht würde. Ich hoffe, dass der Krisengipfel das schafft. Aber Mentalitätswechsel erfordern Zeit.

Der Vorsitzende von »Wir sind Kirche International«, Colm Holmes, hat die Konferenz als »allerletzte Chance« für die Kirchenleitung bezeichnet, den Missbrauchsopfern zu beweisen, dass der Wille zu echten Reformen vorhanden ist. Sehen Sie das auch so?

So wird es wohl sein. Wenn schon 1995 beim Beginn des Kirchenvolksbegehrens – das ja wegen der Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem damaligen Wiener Kardinal Hans Hermann Groer gestartet wurde – wirksam gehandelt worden wäre, wäre vielen Betroffenen Leid erspart geblieben. Papst Franziskus geht die Frage jetzt um einiges offensiver als seine Vorgänger an, auch indem er das heikle Thema des sexuellen Missbrauchs von Ordensfrauen benannt hat.

Sie haben Forderungen an den Krisengipfel formuliert. Welche sind das?

Es muss klar definiert werden, was als sexueller Missbrauch beziehungsweise sexualisierte Gewalt anzusehen ist und was »null Toleranz« genau bedeutet. Das Kirchenrecht muss entsprechend revidiert werden und der Vatikan muss klare Anweisungen für die Bischöfe geben, wie mit Verdachtsfällen transparent umzugehen ist. Bei Vertuschungen sind auch die Bischöfe zur Rechenschaft zu ziehen. Und natürlich muss die Prävention ausgebaut werden.

Auch die Vertuschung der Missbrauchsfälle hat die Kirche in Misskredit gebracht. Woran liegt es, dass so viele Taten von oben gedeckt wurden?

Das ist genau das männerbündische System des Zusammenhaltens einer Gruppe, die sich als Elite versteht. Das ist nicht nur in der Kirche so, aber hier ist der Schaden besonders schwer.

Welchen Anteil hat der Umgang der Kirche mit dem Thema Sexualität an den Missbrauchsfällen?

Die kirchliche Morallehre ist zu sehr von Verboten geprägt und besteht in einer problematischen Fixierung auf Sexualität. Vergehen gegen die Umwelt oder gegen die Solidargemeinschaft spielen dagegen kaum eine Rolle. Bezüglich der Homosexualität entspricht die offizielle kirchliche Lehre nicht den Erkenntnissen der Humanwissenschaften. Das führt dazu, dass sich die Priester oft gar nicht mit ihrer eigenen Sexualität auseinandersetzen.

Könnte die Lockerung des Zölibats etwas ändern?

Die Aufhebung des Pflichtzölibats, der viele Priester überfordert, ist nur ein Schritt. Der muss kommen, auch aus ganz anderen Gründen, etwa damit auch kleinere Gemeinden noch Gottesdienste feiern können. Viel wichtiger ist der Abbau des Machtgefälles zwischen dem Priester und den einfachen Kirchenmitgliedern.

Missbrauch gibt es auch in anderen Bereichen. Im Hintergrund stehen oft exklusive Gemeinschaften und strikte Hierarchien. Ist das Problem nicht die Institution Kirche an sich?

Natürlich gibt es auch Missbrauch in anderen Bereichen, in anderen geschlossenen Systemen und leider auch in Familien. Aber überall geht es um ein Machtgefälle, das es gerade auch in der Kirche gibt und das Missbrauch und letztendlich auch dessen Vertuschung möglich macht.

https://www.jungewelt.de/artikel/349582.sexueller-missbrauch-durch-priester-bisch%C3%B6fe-bei-vertuschungen-zur-rechenschaft-ziehen.html?sstr=weisner

Zuletzt geändert am 22­.02.2019